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Nationaltracht der Probsteier

Im Jahr 1817 reiste der Litauer J. Taillefas, von Norden kommend, durch die Gegend und warf ein sehr genaues Auge auf Land und Leute. Auszug aus: "Skizzen einer Reise nach Holstein besonders der Probstey Preetz". Über Trachten, Wohnen und Lebensgewohnheiten der Probsteier.


Die Tracht der Probsteier hat mit der Tracht in einzelnen Gegenden, deren Bewohner höchst wahrscheinlich von niederländischen Kolonien abstammen, mehrere Aehnlichkeiten. Die Vierlander bey Hamburg haben, wenn gleich jede Landschaft ihre eigne, von den andern abweichende Tracht hat, fast keine andre. Die Friesen haben in ihrer Tracht manche sehr auffallende Aehnlichkeiten mit den Probsteierinnen.

Die Wämser der jetzigen jungen Probsteierinnen, ehemals hochroth, mit blauem Atlas eingefaßt, sind von allen möglichen Farben. Die hoch- und dunkelrothen Röcke und die dicken Strümpfe, denen man mit Seife und Kreide eine blendende Weiße zu geben weiß, sind geblieben. Die schwarzen Hüthchen mit herabhängenden Bändern sind jetzt gegen gold- und silberstickte Mützen vertauscht. Die männliche Nationalkleidung ist fast durchgängig abgelegt.

Eigenthümlichkeiten in der häuslichen Einrichtung, Lebensweise, Gebräuche bey den wichtigsten Veränderungen des häuslichen Lebens.

Die Häuser der alten Probsteier sind fast alle nach einerley Form gebaut, Fachwerk, wobei Alles, Stender, Unterlagen, Balken, Sparren, Bretter von Eichenholz war, dessen Stärke noch jetzt von vormaligen Reichthum dieser Gegend von Waldungen beurkundet. Das Wohnzimmer - Dönns - hat durchgängig eine Täfelung von eichenen Brettern - Panehl - gewöhnlch zwey auch drey Wandbetten - in dem einen, in dem des Hauswirths, war meistens der Geldschrank - auch war an der Wand des Wohnzimmers ein Behältnis für die Schlag-Uhr - de Klock - angebracht. An den Stubenthüren sowohl als an denen der Bettschränke waren Füllungen angebracht, und einige Verzierungen, die überall gleich waren. Selten waren sie mit Schnörkeleien überladen. In den Häusern, wo die einfachere Lebensart zu Hause war, waren die Thüren vor den Betten nur Schiebethüren, in einigen aber mit Schlössern versehen, die dann reichen Messingbeschlag hatten, wo dann auch die Oefen, welche, selbst die eisernen, immer Kachelaben hießen, starke Messingknöpfe hatten. An der anderen Seite im Hause ist gewöhnlich die Kistenkammer - beste Dönns - welche auch zwey bis drey Bettschränke enthält, und wo in einer großen Reihe eichener, theils einfacher, theils ganz beschlagener, oft auch sehr bunt ausgelegter Kisten ein sehr bedeutender Reichthum an Flachs, Leinen und Kleidungsstücken aufbewahrt wird. An der täglichen Stube und an der besten Dönns sind auf der Diele mehrere Volksbetten angebracht. Diese Gegend des Hauses heißt de Lucht, und hier ist gewöhnlich de Blangdör - Seitenthür. - Das Uebrige an der langen Dreschdiele ist zu Speichern und kleinen Vorrathskammern eingerichtet. An den Balken der Wohnstube war gewöhnlich das Jahr der Erbauung und der Name des Erbauers und seiner Ehefrau eingemeißelt, auch las man hin und wieder Bibelsprüche und kurze Setenzen. Schornsteine kannte man - wie noch jetzt in Lief- und Ehstland - bey der alten Bauart nicht. Der Rauch vom Heerde, welcher mit einer eisernen Thüre versehen war, zog längs der Diele, und neben dem Heerde waren die beiden Backöfen, welche sowohl zum Backen, als zum Rösten des Flaches gebraucht wurden. Die milchenden Kühe stehen an der Diele, und vorne im Heckschauer sind die Pferdeställe. Auf der Hofstelle sind sonst noch ein oder zwey Gebäude, Kaben genannt, in denen das junge Vieh und die Schweine gestallt werden, auch das Heu und die Erbsen, zuweilen auch Hafer geborgen wird.

In frühern Zeiten herrschte auch hier die Sitte des Fensterbiers. Wenn in einem neuen Haus neue Fenster oder auch nur ausgebesserte eingesetzt werden sollten, luden die Eigenthümer ihre Nachbarn und andere gute Freunde dazu ein, welche dann ein Geschenk an Geld darbrachten, wofür eine Lustbarkeit mit Tanz angestiftet wurde. Auch schenkten einige ein ganzes Fenster, da denn in der Mitte auf einer Scheibe ihr Name und Hausmark, zuweilen auch ein Sinnbild mit der Jahreszahl eingebrannt und gemalt ward. Es existiren hier noch einzelne solcher Fenster aus dem 16ten und 17ten Jahrhundert, deren Sinnbilder nicht zu entziffern sind.

In den letzten zwanzg Jahren sind in der Bauart der Häuser einige bedeutende Veränderungen angebracht. Es wurden eine besondere Küche mit einem Keller angelegt, ein Schornstein zum Dache hinausgezogen, die tägliche Stube höher vom Boden gemacht und die kleine vergrößert. Auch wurde die Wand um den Ofen, ja zuweilen die Wand in der kleinen Stube ganz mit holländischen Klinkern belegt. Statt des Eichenholzes wurden zu Lambri's Föhren- oder Eschenholz genommen, und diese zum Theil ganz ausgemalt. Indessen ist in den neuerbauten Häusern die Einrichtung immer dieselbe.


Probsteier Reetdachkate
Probsteier Reetdachkate im Freilichtmuseum Molfsee


Die Lebensweise der alten Probsteier war äußerst einfach. Sie standen immer sehr früh auf, genossen dann nur kaltes Bier und Brod, und arbeiteten bis zur Frohkost, die in Grütze oder erwärmten Bier und Butterbrod bestand. Dann wurde wieder bis zum Mittag gearbeitet. Jedes Mittagsmahl muß Klöße und Waizenmehl enthalten. Auch ißt der Probsteier viel Brod von Waizenmehl, und das Roggenmehl wird meistens gesichtet - Schönbrod. - Eine Lieblingsspeise der Probsteier ist suure Suppe, diese ist von Speck, oder Gänsefleisch, Klößen, Kartoffeln, gelben Wurzeln und Essig bereitet, eben so wird viel schwarzes Sauer von Gänse- oder Schweinefleisch gegessen. Nach einiger Meinung soll die Gewohnheit, Schwarzfleisch zuzurichten, von den alten Wenden herrühren, die das, was von Opfervieh übrigblieb, auf diese Weise zum Gastmahle zurichteten. In der Diät sind im Ganzen in neuern Zeiten keine große Veränderung vorgefallen; nur ist auch hier der Gebrauch von Kolonialwaaren, wie das Punsch- und Weintrinken, eingeführt.

Bey der Taufe eines Kindes, besonders in den großen Familien, kamen immer zwey mit vier Pferden bespannte Wagen mit den Gevattern und vielen Frauen zur Kirche. Diese fuhren aus dem Dorfe in vollem Galopp, und die Gevattern und Frauen mußten aus vollem Halse juchheien. So ging's in allen Dörfern, durch welche sie fuhren, so kamen sie im Kirchdorf an. Jetzt kommen sie vernünftiger und ruhiger nur mit den Gevattern und einer Frau an, die das Kind tragen muß, und damit werden denn auch die großen und wirklich unzweckmäßigen Kindtaufsgelage sehr beschränkt. Am Tage der Taufe des Kindes, wenn nun zur Kirche gefahren werden sollte, trat die Frau, welche das Kind zu tragen hatte, vor das Bett der Wöchnerinn, nahm das Kind wendete es dreymal vor der Mutter um, und sagte: Nun in Gottes Namen! "Heid' nehm ick Dick weg, Christ bring' ick Dick wedder," ging dann zuerst auf den Wagen; auch hatte sie sich an diesem Tage außerordentlich in Acht zu nehmen. Nach der Taufe werden die weiblichen Gevattern und Frauen von den Wirthen oder den männlichen Gevattern im Kirchdorfe mit Kaffee und Wein oder Branntwein mit Zucker bewirthet, und fahren dann in's Haus der Aeltern zurück, wo während ihrer Abwesenheit die Mahlzeit bereitet wird. Bey dem Braten steht der Hauptgevatter auf, nimmt ein Stück Brod, ein Stück Braten und ein Glas Bier. Dies bringt er mit einem Stück Geld der Wöchnerinn, die von nun an andre Speisen genießen darf, da sie bis zu diesem Augenblick auf ihre Biersuppe beschränkt war. Wenn die Wochenfrau ihren Kirchgang hielt, war wieder ein Schmauß, den man Karkbeer nannte. In Probst-Hagen wurden die Kirchengängerinnen förmlich eingesegnet; hier ist diese Sitte abgekommen.

Weit mannigfaltiger und zusammengesetzter waren die Gebräuche bey den Hochzeiten - Kösten - der Probsteier. Sie werden zum Theil noch beobachtet, wenn ordentliche Hochzeiten gehalten werden. Diese können aber bey den sogenannten kleinen Leuten gar nicht beobachtet werden,und fallen auch bey den Begüterten meistens weg, da diese häufig eine Allerhöchste Konzession zur Hauskopulation suchen, und dann in der Stille, oder in einer ganz kleinen Gesellschaft ihre Eheberedung vollziehen. Es ist werth, eine größere Hochzeit genau zu beschreiben, da mehrere Gebräuche bey derselben den Geist der Nation charakterisiren, und ein vielseitiges Interesse haben. Eine alte Sitte, dat Brudschatt-Sammeln, ist seit 1794 abgeschafft. Die Braut ging mit einem Kissenüberzug und einem Stock in alle Dörfer der Probstey, und vor ihr eine Frau mit einem Sack. Sie ging meistens in alle Häuser, sammelte sich Lebensmitel, Federn, Geld zum Anfang ihres Hausstandes, und auch die Frau erhielt ein Geschenk. Diese Sitte kostete jeden Hufner jährlich an fünf Tonnen Roggen, die andern Geschenke ungerechnet.

Die meisten Ehen in der Probstey werden bey den nächtlichen Besuchen der Mädchen, auf dem Bette verabredet, und sind eine unleugbar Thatsache. Doch führt auch der Tanz die Liebenden zusammen, und mehrere Ehen sind, besonders bey Begüterten, Folgen früh'rer Vereinbarung der beiderseitigen Aeltern, wobey denn hauptsächlich ein Hufentausch, oder Erhaltung des Vermögens, und der lange bestehenden Familien-Verbindung berücksichtigt wird.

Die Einladung zur Hochzeit - Köstbidden - geschah vor Zeiten sehr feierlich. Bräutigam und Braut ritten durch die ganze Probstey, er von einem Freunde, sie von einer Freundinn begleitet. Der Einladende bediente sich folgender Formel: "Ick wull to Köst birr'n, Morn over acht Dag, na min Vatters Huus, schull'n vorlef nehm, wat ick upbring'n kann." Darauf sagte der Begleitende: "De Behj wuck nich gern wegget hebben, mot so veel beeter nahdenken, as't bestellt ist." Dann erwiederte der Eingelad'ne: "O is goy noog bestellt." Dies hat jetzt aufgehört.

Kurz vor der Hochzeit wurde die Aussteuer - de Waar - der Braut in's Haus des Bräutigams gefahren -Brudkisten fahren. Der Bräutigam führte den einen, mit vier Pferden bespannten Wagen , der Vater oder Bruder der Braut, oder der Bauknecht im väterlichen Hause den andern. Der Fahrende wurde mit einem gelben seidenen Tuche beschenkt, der ihm in Form eines Quadrats vorn an den Hut gesteckt ward. Hiezu wurden die Pferde ordentlich eingefahren, denn es mußte im Galopp von der Hofstelle, durch die Dörfer, und eben so in's Haus des Bräutigams gehen. Auf dem Wagen standen gewöhnlich drey große Kisten, deren eine Flachs, die andre Leinen, die dritte Kleidungsstücke und buntausgenähte Stuhlpolster enthielt. Mit den Kleidungsstücken trieb man große Verschwendung. Es gehörte zu einer guten Aussteuer eine solche Menge fertig gemachter Kleidungsstücke, daß es unmöglich war, sie alle im Leben aufzubrauchen, und daher fand sich im Nachlaß der Probsteier Frauen gewöhnlich eine Menge durchaus noch nie gebrauchter Kleidungsstücke. Die Betten wurden hinten in den Wagen gelegt und in ihnen lagen die Musikanten, welche bey der Abfahrt, bey der Ankunft, und auch zuweilen durch die Dörfer blasen mußten. Die hölzernen Stühle, auf welchen der Name der Braut und die Jahreszahl angebracht waren, wurden ringsum bey den Kisten eingesteckt. Auf jedem Wagen saß ein Mädchen, die eine hielt einen Spinnrocken, die andere ein andres Haushaltungsgeräth in der Hand. Auch bey dieser Gelegenheit fand Bewirthung statt.

Nun kam die Feier der Hochzeit. Die Braut fuhr in einem mit vier Pferden bespannten Wagen zur Kirche. Sie saß in der Mitte, vor ihr ihre Zuführer, hinter ihr die Brautjungfern, zuweilen folgten auch mehrere Frauen. Die Braut war sehr festlich geschmückt. Sie trug auf dem Kopf einen Brautschmuck eigner Art - Bindchen - in Form einer größern Krone, mit vielen Perlen, Grün, Naturell und glänzenden Blumen besetzt. Er wurde rings um den Kopf zugebunden und in die dadurch entstehende Oeffnung ein sehr mit Perlen besetzter Zierrath - Achterband - angebracht. Das Haar ward mit einem kleinem Bande gebunden, an dem ein vier Ellen langes rosa-seidenes Band, unten mit Silber besetzt, befestigt war, das frey flatterte, und wallte übrigens frey über die Schultern herab. Um den Hals trug sie einen Kragen von feinem Kammertuch, in Form der Prediger-Kragen, nur kleiner und stark geblaut. Ihr ganzer Anzug war von feinem schwarzen Tuch - Wandt - stark mit dem besten Atlas verbrämt - Verböhrelsch - doch war der Rock auch zuweilen von schwarzem Dammast; der Latz - Bostdook, auch Rump - war entweder von drap d'or, drap d'argent, oder von schwarzem Sammt mit agremens - Ackermann - und silbernen Maljen, über welche eine sieben Ellen lange silberne Kette gezogen ward. Die Schürze war von feinem Kammertuch, wie der Kragen, stark geblaut. Das Leibband war schweres schwarzes Band, unten mit Silber besetzt. In frühern Zeiten ward auch noch ein schwarzer Mantel getragen. Die Brautjungfern - Brutmähd - waren schwarz gekleidet, gingen mit entblößtem Haupte, das Haar in Flechten um den Kopf gebunden und mit glänzenden Hinterbande geschmückt. Die Zuführer waren auch schwarz gekleidet.

Ein sehr rührender Anblick soll es immer gewesen seyn, wenn die Braut aus dem väterlichen Hause wegfahren sollte. Kurz vorher gingen die Aeltern langsamen Schrittes in die Kistenkammer - besten Dönns - und setzten sich da ganz allen nieder. Wenn alles zur Abfahrt fertig war, ging die Braut ganz allein zu ihren Aeltern, um feierlich Abschied zu nehmen. Dabey mußten die Musikanten immer den Marsch des Prinzen Eugen blasen, der etwas Langsamfeierliches hatte. Gewöhnlich zerfloß dann Alles in Thränen.

Die Abfahrt mußte auch im Galopp gehen, und eben so kamen sie im Kirchdorfe an. Der Bräutigam kam mit seinen Zugführern zu Pferde. Sie ritten in einer Linie, und in den Dörfern im Galopp. Man wählte die stolzesten, muthvollsten Rosse, und diese wurden dazu besonders gefüttert, auch hatte der Bräutigam gewöhnlich ein ganz neues Pferdegeschirr. Manches Pferd wurde bey dieser Gelegenheit zunichte geritten. Im Kirchdorfe bewirthete der Bräutigam die ganze Gesellschaft mit Kaffee, Wein und Branntewein mit Zucker.

Während des Trauacts sammelte sich auf dem Kirchhofe eine große Menge Bettler, welche die Braut,so wie sie aus der Kirche trat, umlagerten, und unter welchen sie mit beiden Händen Geld auswerfen mußte. Bey der Rückreise zum Hochzeitshause suchte der Bräutigam mit seinen Zugführern zuerst anzukommen.Dann stellte er sich mit ihnen ins Heckschauer. Die Braut kam an und stellte sich mit den ihrigen ihm entgegen. Nun erschien ein Schafferknecht mit entblößtem Haupte, mit einer Bouteille Wein und einem Glase, trank dem einen Zuführer zu, dieser dem andern, der letzte dem Bräutigam, dieser der Braut, welche, nachdem sie getrunken, das Glas über den Kopf werfen mußte. Eine gute Vorbedeutung, wenn es zerschmettert ward, eine schlimme, wenn es unverletzt blieb. Dann nahm ein Zuführer dem Bräutigam den Hut ab, und setzte ihn der Braut auf. In diesem Augenblick hat sie die Herrschaft, hernach muß sie sich in den Willen des Mannes fügen. Sie führt den Zug in's Haus, empfängt die Glückwünsche und beginnt nun den Ehrentanz.

In der besten Dönns war nun die Aussteuer zur Schau ausgestellt. Hier waren besonders die aufgemachten Betten auffallend. Sie waren mit Kissen, die alle ihre verschiedenen Kappen halten, welche mit farbigen Bändern zugebunden waren, so vollgepfropft, daß es durchaus unmöglich war, in sie einzudringen. Die Kisten waren verschlossen. Die Schlüssel trug eine Freundin der Braut -Kistenschlütersch- an einem gewaltigen Haken, sie tanzte mit ihnen, und verursachte ein heftiges Geräusch.

Außer den bereits genannten Personen gehörten zum Personale einer großen Hochzeit:

  1. Zwey Schafferknechte. Sie gingen mit bloßem Kopf, mit einem Handtuch-Dweel- umgürtet. Sie warteten auf, und trugen besonders zwischen den Gerichten die Pfeifen herum.
  2. Zwey Schaffermädchen. Auch diese gingen mit bloßem Kopf, trugen die Speisen auf, und riefen in vorigen Zeiten immer: "freut Juck, wi bringt Klümp."
  3. Zwey Schafferknaben von 10 bis 12 Jahren aus der nächsten Verwandschaft. Sie trugen zinnerne Kannen zum Einschenken in die Krüge, und hießen Schenkers.

Bey Tische saßen Braut und Bräutigam einander gegenüber, die Amtsleute ihnen zur Seite. Zwische dem Brautpaare stand ein großer Familienleuchter mit dem Schafferbusch, so, daß sie einander nicht sehen konnten.

Die Gerichte waren: Schweinefleisch mit Klößen -drög Klümp- dann Hühnersuppe, hierauf Rindfleisch mit Meerrettich -Mörkflesch- und zuletzt Hühner und Schweinbraten mit dickem Reis. Zwischen jedem Gerichte ward Toback geraucht, auch getanzt.

Während der Mahlzeit hielten die Schafferknechte eine Sammlung für sich, die Köchinnen, von denen sie immer traurige Schicksale erzählten, und die Musikanten. Sie waren von Musik begleitet. Der eine hatte einen großen hölzernen Löffel -Schleef- mit Salz und einem kleinen Ende Licht; der andre einen großen Apfel, in welchen die Gaben hineingedrückt wurden. Für sich selbst erhielten die Schafferknechte nebenbey Geschenke, die man ihnen dann in die Hand gab. In neuen Zeiten folgte nun eine Sammlung für die Armen.

Dann folgte der Tanz mit den Schafferlichtern. Die Schafferknechte und Mägde tanzten vor mit brennenden Lichtern in der Hand. Je länger sie brannten, desto besser.

Hierauf schritt man zur Köstgav. Vor Braut und Bräutigam ward eine zinnerne Schüssel gesetzt, auf welche die nächsten Verwandten zuerst und dann die Hochzeitsgäste ihre Gaben legten. Wohlhabende beschenkten beide. Die Anrede war, unter Abziehzug des Huths: "Ji möt de lütje Gav ook nich verschmajen," und wurde dadurch beantwortet, daß die Beschenkten ihnen Wein mit Zucker zutranken. Das geschenkte Geld wurde in einen sammtnen Beutel mit Quästen gesteckt und als ein Heiligthum aufbewahrt.

Nun stellten sich die Musikanten den Brautleuten gegenüber. Der Schullehrer gebot Stille, und es herrschte meistens allgemeine, feierliche Stille.Es ward ein Lied gesungen, z.B. In allen meinen Thaten und von der Musik begleitet. Allein so unmittelbar auf den Gesang, daß kaum sein letzter Ton verhallt war, spielten die Musikanten den Nationaltanz -Heitanz- zu dem jetzt alle eilten. Auf diesen folgte de lange Danz. Die Mädchen tanzten allein in einem um die Braut geschloßnen Kreise;die Frauen umgeben von Reihen. Bald werden die Lichter ausgelöscht. Nun suchen die Frauen die Braut zu erhaschen. Sie greifen oft fehl, und dann erschallt ein lautes Gelächter. Endlich gelingt es einer, die Braut zu greifen, und nun läuft sie mit ihr unter rauschender Musik in die beste Dönns, in welcher nur der Bräutigam und einige Frauen zugelassen werden. Hier wird ihr die Mütze aufgesetzt. Nun trinkt der Mann ihr zu. Alles horcht auf ihre Anrede, ob sie nun Gelt Dick oder Gelt Juck sagt, da hiernach bestimmt wird, ob sie ihren Mann künftig Du oder Ji anreden wird. Sie tanzt nun noch ein paar Tänze, und wird dann mit Musik in die Brautkammer begleitet. Die Hochzeitsgäste entfernen sich nun Alle auf's Nachtquartier zu den Dorfnachbarn,wo sie alle noch einmal bewirthet werden.

Aus den Dörfern strömte immer zu den Hochzeiten eine Menge Neugieriger herbey, um na'n Kick to gahn - umzusehen. Sie erhielten auch ihren Theil von der Bewirthung, doch war ein gewisser Balken des Hauses, davon Tokiekerbalken genannt, die Gränze, über welche sie nicht kommen durften, und auf welchen sie nöthigenfalls von der Polizey zurückgewiesen wurden. Indeß trieben sie zuweilen viel Unfug.

Von dieser Scene der heitern Freude wollen wir unsre Probsteier dahin begleiten, wo das ernste Ende des irdischen Lebens, und die Trennung in seinem Gefolge, jedes Geräusch, jedes Getümmel zu entfernen gebeut, und feierliche Stille und stillen Schmerz so natürlich und unsern Gefühlen und Pflichten angemessen heischt. Auch bey den Leichen der Ihrigen haben die Probsteier ihre eignen Gebräuche. Die alten Grabbiere, bey denen oft taumelvolle Freude die Klage überschrie, sind abgeschafft. Am Beerdigungsmorgen wird die Leiche aus der besten Dönns, wo sie bisher stand, auf die Diele getragen. Da steht sie offen, um von den Verwandten aus den andern Dörfern, und von der ganzen Leichenbegleitung noch einmal gesehen zu werden.

Nach einem von dem Schullehrer des Dorfs gesungenen Kirchenliede wird der Sarg verschlossen und die Leiche zu ihrer Ruhestätte gefahren. Auf dem Wagen sitzen über der Leiche die nächsten weiblichen Angehörigen ganz verhüllt -geschlippt- die andern folgen der Leiche zu Fuß. Der Gebrauch des Schlippens in tiefer Trauer findet sich auch bey den Wenden in der Lausitz (nach Leske) und bey den alten Ditmarsen, nur mit dem Unterschiede, daß die Wenden sich dazu eines großen weißen Tuches, die alten Dittmarsen einer großen Kappe bedienten, welche auswendig schwarz, inwendig von grünem Bardewyker Tuch war, bey den Vornehmen mit vergoldeten Schrauben.

Hierher gehört auch wohl die Sitte der Probsteier, daß Abgebrannte sich ein ganzes Jahr hindurch in Trauer-Kleidern zu zeigen pflegen.


Scheune aus Brodersdorf
Scheune aus Brodersdorf im Freilichtmuseum Molfsee


Nächtliche Besuche bey den Mädchen. - Na'n Deerens gahn.-
Diese gewöhnlich einseitig verurtheilte, immer aber wie für die Sittlichkeit überhaupt, so besonders für die so wichtige weibliche Schamhaftigkeit und auch sonst noch in mehrerer Hinsicht nachtheilige Sitte ist nicht den Probsteiern ausschließlich eigen. Sie existirte, nur unter verschiedenen Benennungen und Modicationen, bey mehreren Völkern. Sie galt bey den Fehmeranern, wo sie durch fürstliche Verordnungen von 1702 und 1706, und durch geschärfte Königliche von 1737 und 1752 verboten ist, unter dem Namen Fenstern in einer für die Sittlichkeit weit nachtheiligern Gestalt. Auch in der Landschaft Osterland Föhrde wurde das Nachtfreien und die Aufsitzer-Gelage durch eine Königliche Verordnung von 1740, wegen des damit verbund'nen Unfug's, untersagt. In der Schweiz führte sie den Namen Kiltgang. Keyßler - dessen Reisen, Th. 1.S. 25 - erzählt hierüber eine sehr naive Aeußerung eines Greises. Die Obrigkeit wollte diese Sitte abschaffen, die Bauern aber sie sich nicht nehmen lassen.Sie nahmen einen Advokaten aus Lindau an, und in einer gehaltnen Versammlung trat ein Greis auf, und gab folgende Erklärung ab: "Mein Großvater hat gefügt, mein Vater hat gefügt, ich habe gefügt, und also will ich, daß mein Sohn und seine Nachkommen auch fügen sollen." Im Rudolstädtischen wurden die Verlöbnisse auch bey Nacht geschlossen, und dagegen eine eigne Verlöbnißverordnung gegeben. Auch das Korteln der Helgolander scheint hierher zu gehören.

Die Sitte soll bey den Probsteiern nicht einmal so verwerflich seyn, wie man gewöhnlich glaubt. Mehrere junge Leute, oft ganze Schwärme, und je größer ihre Anzahl ist, desto gefahrloser, bereden sich zu einem nächtlichen Besuche, zuweilen bestimmt bey einem Mädchen, zuweilen unbestimmt bey mehrern auf andere Dörfer, wozu sie den Bauern ihre Pferde aus den offnen Ställen ungefragt wegnehmen. Die Seitenthüre des Hauses ist nie verschlossen, sie gehen ungehindert ein, und umlagern nun das Bette des Mädchens von allen Seiten.
Zuweilen muß das Mädchen aufstehen, Licht anzünden, und Getränk holen. Dann geht sie wieder zu Bette, und die jungen Leute halten während dessen vertraute Unterredungen, oder singen Volkslieder. So machen sie in einer Nacht mehrere Besuche. Wer ernsthafte Absichten auf ein Mädchen hat, geht allein, wird dann vorzüglich bewirthet, beschenkt, und das versproch'ne Mädchen nimmt weiter keine Besuche an. Ihre Antwort: Jungens, ick hef een Frier, scheucht die Schwärme zurück. Zuweilen gehen auch wohl Einzelne, jeder für sich, oder Paarweise, wahrscheinlich in schon sträflichern Absichten, auf's Gerathewohl zu ganz unbekannten Mädchen, und da ist der sonderbare Gebrauch, daß man, um das Mädchen doch wenigstens vorher zu beäugeln, Feuerzeug bey sich führt, und über demselben wiederholt Feuer schlägt. Die jungen Leute verfallen häufig auf Muthwillen, treiben auch mitunter Unfug, besonders, um sich an solchen Hüfnern zu rächen, die ihre Ställe oder die Seitenthür verschlossen haben. So ist es noch in sehr frischem Andenken, daß ein solcher Hüfner an einem Morgen seine Wagen auf dem Dache der Scheune mit Dünger beladen erblickte. Auch entspringen hieraus mancherley Verwirrungen, besonder bey Matrimonialprozessen.

Original von: Nikos Drakos, CBLU, University of Leeds
Überarbeitet und ergänzt von: Marcus Hennecke, Ross Moore, Herb Swan


Published by Ostufer.Net 2012

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